Die erste (und großartige!) Kunstausstellung der Designerin Elena Salmistraro in Mailand.
Alles beginnt mit dem Zeichnen. Für Elena Salmistraro ist Zeichnen ein unaufhaltsamer Impuls. Es ist Leidenschaft, Besessenheit, Notwendigkeit. Ein ständiger Fluss, wie ein Training für Geist und Hand. Die Linien, Muster, Gestalten erscheinen auf losen Blättern und zufälligen Oberflächen, erst mit Bleistift, dann in Farbe. So entstehen fantastische Welten, die von zweideutigen Figuren bewohnt werden: Monster und Kreaturen, die faszinieren und verstören, aber auch von der Künstlerin und ihrer inneren Welt erzählen. Ihre »Monster« sind trotz ihres Aussehens freundliche Wesen, die sich bedrohlich geben, um zu überleben, aber in Wirklichkeit Schwächen haben und den Wunsch, akzeptiert zu werden.
© Beppe Brancato.
»Ich habe schon immer Monster gezeichnet, als Kind war ich voller Ängste«, sagt Elena, deren Haar mit kupferfarbenen Strähnchen durchzogen ist und die dicke Silberringe an jedem Finger trägt, »um die Vorteile des Metalls aufzunehmen«. Wie eine Alchimistin kombiniert sie Farben, bändigt sie dann aber in präzisen, unendlichen Diagrammen, die zu einem Leitfaden für ihre Bilder und ihre gefeierten Designobjekte werden (Disney, Steinway, Apple, Vitra, Nike, Cappellini, ccTapis, Lavazza, Driade…). Ein Universum voller fantasievoller Bestien, wo alles Gewöhnliche außergewöhnlich wird.
Der »horror vacui«, die Angst vor der Leere, ist ein Schlüsselbegriff in ihrer Ästhetik: die Tendenz, jeden Zentimeter der Leinwand mit Figuren, Texturen und winzigen Details zu füllen. Diese obsessive Füllung ist ein Weg, diese Angst vor der Leere zu vertreiben. Es ist ihre Einladung an den Betrachter, die verborgene Seite unseres Wesens zu erforschen, hinter die Oberfläche zu blicken und die Komplexität der menschlichen Natur zu umarmen.
Die Ausstellung ihrer Kunst ist eine Premiere für die Mailänder Designerin, die vor allem mit ihren Tiergesichter-Vasen PRIMATES für BOSA und dekorierten Fitnessgeräten für TECHNOGYM bekannt wurde. Ihr Debut zelebriert sie in der Galerie Antonio Colombo, in dem sie nicht nur großformatige Leinwände, Skulpturen, bauchige Keramiken und Zeichnungen ausstellt, sondern auch gleich noch Wände und Treppen der Galerien bemalt – und so in ihre Gesamtinszenierung integriert.
Wer etwa vor dem Riesenwerk Golden Mask steht, der begegnet gleich vier Elenas: Jede von ihnen trägt eine Maske als Symbol der Scham. Elena Zarra, mit roten Zöpfen und Hörnern, ist ihr frecher Teil, der bereit ist, sich der Welt zu stellen. Elena Designer, mit einem dritten Auge auf der Stirn, symbolisiert ihren Blick über das Gewöhnliche hinaus. »Elena Mamma steht für Ruhe und Verständnis. Und Elena Bambina mit Kaninchenmaske verkörpert Leid und Unsicherheit. Die vier Figuren widerum betrachten ein Schutzsymbol: eine goldene Maske unter einer Glaskuppel.
Speziell für ihre Soloschau schuf Elena Salmistraro noch drei über und über verzierte Vasen namens Bombette, zwei Totems (alles hergestellt von Bosa Ceramiche), sowie die Holzskulptur – Gennaro, das Schlammmonster (hergestellt von Scapin), das mit seinem komischen kindlichen Aussehen die Angst vertreibt.
Elena Salmistraro short facts:
Sie studierte Fashion und Industreidesign am renommeirten mailänder Politechnico.
© Beppe Brancato.
2022 wurde sie mit dem renommierten Frame Design Award als beste Designerin von der internationalen Zeitschrift für Architektur und Frame ausgezeichnet. Seit 2017 ist sie Weltbotschafterin für italienisches Design. 2023 wurde sie von Forbes Italia in die Liste der 100 erfolgreichsten Frauen des Jahres aufgenommen.