Die wichtigste Frage ist: »Wie kann ich das Foto noch besser machen?«
Albert Watson
Albert Watson sitzt pünktlich in seinem Studio, vor ihm ein Thermobecher (mit Tee vermutlich – er ist Schotte …), auf dem Kopf des 80-Jährigen die obligatorische Kappe. Er ist hellwach, gut gelaunt, redelustig.
Mister Watson, Sie haben in Ihrer Laufbahn mehr als 100 Cover für die Vogue geschossen, Ihre Bilder werden von angesehenen Galerien gehandelt, Sie hatten große Einzelausstellungen in bedeutenden Museen. Können Sie uns das Geheimnis verraten, wie man ein so berühmter Fotograf wird?
Um ehrlich zu sein: Es war schon eine Portion Glück dabei. Vor allem zu Beginn. Ich habe an der Hochschule in Dundee, Schottland, Kunst studiert, nach zwei Jahren habe ich mich auf Grafikdesign konzentriert. Zu der Zeit wurde ein neuer Studiengang für Fotografie angeboten, der mich reizte. Es war wie Magie: In dem Moment, in dem ich die erste Kamera in der Hand hatte, wurde es zur Obsession.
Durch Obsession wird man aber nicht automatisch so berühmt …
Es kamen mehrere Faktoren hinzu. Zum einen waren in unserer kleinen Fotoklasse fast ausnahmslos hochbegabte Kreative, die später selbst sehr berühmt wurden, der Kameramann Tony Scott zum Beispiel, der Bruder des Regisseurs Ridley Scott (Blade Runner, Alien), Alan Cameron, der später die Sets von James Bond kreiert hat, Storm Thorgerson, von dem die berühmten Pink-Floyd-Cover wie Dark Side of the Moon stammen. Wir sind immer in Verbindung geblieben und haben dadurch viele weitere interessante Persönlichkeiten kennengelernt. Außerdem habe ich nach meinem Studium eine ausgedehnte Tour durch die USA gemacht, dabei unter anderem mit Ray und Charles Eames in deren Büro in Los Angeles Tee getrunken, in New York Milton Glaser getroffen, von dem unter anderem der allgegenwärtige Schriftzug I love NY stammt. Ich hatte schnell gute Kontakte.
Wie kamen Sie zu Ihren ersten Aufträgen?
Ich ging nach L. A., eröffnete ein Studio – und nahm jeden Auftrag an, den ich kriegen konnte. Wirklich jeden! Ich habe auch Krankenhausbetten fotografiert.
Und dann kam schnell Ihr sensationeller Durchbruch.
Ja. Ich bekam den Job, Alfred Hitchcock für die Weihnachtsausgabe von Harper’s Bazaar zu fotografieren. Sie wollten, dass ich ihn mit einer Platte, auf der eine gebratene Gans liegt, fotografiere. Ich mache eigentlich immer, was die Auftraggeber wollen, aber ich biete ihnen auch jedes Mal etwas Zusätzliches an. Vielleicht ist das mein Geheimnis. Bei diesem Shooting schlug ich vor, ihn die tote Gans vor der Zubereitung halten zu lassen. Ich fand, das sei mehr Hitchcock. Er packte sie am Hals, blickte in seiner typisch unschuldigen Art und präsentierte sie so den Lesern. Die Redaktion entschied sich für meine Idee. Ein super Erfolg!
Das Foto braucht man nicht zu zeigen. Das müsste eigentlich jeder vor Augen haben.
Stimmt! Ein sehr netter Nebenaspekt: Hitchcock war nicht nur ein Gourmet, wie man seiner Figur ansehen konnte, er war auch ein vorzüglicher Koch und präsentierte in der Ausgabe sein Rezept für die Gans. Und Harper’s Bazaar konnte den schönen doppeldeutigen Titel machen: »Hitchcock cooks his own goose«. Im Englischen ist das eine Redewendung, die bedeutet, dass jemand selbst schuld an seinem Schicksal ist – wenn man zum Beispiel auf eisiger Fahrbahn zu schnell fährt und im Graben landet.
Zur gleichen Zeit hatten Sie auch das Cover der Vogue.
Ja, die waren »not so amused«.
Aber es hat Ihnen nicht geschadet?
Nein. Im Gegenteil. Vor allem für die französische Vogue habe ich viele Shootings gemacht. Zwischen 1978 und 1981 habe ich alle Cover für sie geschossen.
Was ist das Geheimnis eines wirklich guten Fotos?
Ich habe in meinem Leben Millionen von Fotos angeschaut. Ich würde sagen, das Entscheidende ist, dass es dir im Gedächtnis bleibt. Unauslöschlich. Das ist wie bei einem besonders guten Essen.
Und was ist Ihr Rezept dafür?
Es gibt verschiedene Zutaten: Du musst dich wirklich gut auf das Shooting vorbereiten. Du brauchst eine besondere Idee. Du solltest versuchen, nie dieselbe Art von Foto zu wiederholen. Und: Jeder Schuss muss episch sein. Natürlich geht das nicht. Aber du musst es versuchen. Ich war mal in einer Ausstellung von William Turner. Als ich ankam, verließen zwei ältere Damen das Museum und eine sagte zu der anderen: Die Bilder sind sehr schön, aber sie sehen alle gleich aus. Ich schmunzelte in mich hinein.
Nutzen Sie Ihre Zutaten bei allen Sujets? Ihr Werk ist sehr viel-seitig: Celebrities, Mode, Landschaften, Still Life …
Ja, ich versuche es in jedem Bereich. Mal ist es eine spezielle Herangehensweise wie bei meinen Landschaftsaufnahmen auf der schottischen Isle of Skye; da habe ich mir Motive gesucht, die mich an die Ästhetik von Herr der Ringe und Game of Thrones erinnerten. Bei Shootings mit Prominenten kommt es darauf an, eine entspannte Stimmung zu erzeugen.
Aber die müssten doch gerade so ein Shooting besonders professionell über sich ergehen lassen.
Viele lassen sich nicht gern fotografieren. Steve Jobs zum Beispiel hasste es. Wir hatten eine Stunde mit ihm, bereiteten alles vor und als er kam, sagte ich, ich hätte eine gute Nachricht für ihn: Wir bräuchten nur 30 Minuten. Er war happy. Und dann schlug ich vor, er solle so schauen wie bei einem Meeting, in dem er etwas vorschlägt; alle reden dagegen, aber er weiß es besser. »Das ist leicht«, sagte er, »das habe ich jeden Tag.« Es wurde so etwas wie sein offizielles Porträtfoto. Das müsste eigentlich auch jeder kennen.
Wirklich clever, Mr. Watson!
Danke! Es geht einfach darum: Wie kann ich das Foto noch besser machen?
Wie war Jack Nicholson?
Der ist easy. Aber das Foto, wo er sich mehrfach spiegelt, war tricky. Es war noch ohne Photoshop oder so. Bis wir die Spiegel perfekt ausgerichtet hatten … – puh!
Albert Watson wurde 1940 in Edinburgh geboren, ist seit 61 Jahren verheiratet und
hat zwei Söhne, seine »besten Freunde«.
Sein Studio ist in New York. Er wird vertreten durch die weltweit wichtigsten Galerien,
in Deutschland durch Camera Work, Berlin.
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