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Dubai 20. Hans-Georg Esch.

IDEAT Portfolio: Hans-Georg Esch

Alles im Blick

Die Bilder, die Hans-Georg Esch zu einer eigenen Kunstform perfektioniert hat, sind auf den ersten Blick saubere Architekturfotos. Meistens menschenleer. Aus besonderen Perspektiven und mit speziellen Einstellungen zeigen sie verlassene Büros und verwaiste Straßenschluchten. Und doch meint man, den Atem der Bewohner noch zu spüren.

Das Portfolio

»Ich suche andere Ansichten, neue Blickwinkel, biete besondere Aus- und Anschnitte und Lichtsituationen an. Die Gebäude und die Fotos insgesamt wirken dadurch lebendiger.«

Das Interview

Hans-Georg Esch sitzt mit Headset vor seinem Rechner, sehr gut gelaunt, er freut sich sichtlich auf unser Gespräch. Für den Fragesteller ist das eine erfreuliche Tatsache. Es erleichtert den Einstieg. Kein großes Eisbrechen.

Portrait
Hans-Georg Esch.

Fangen wir einfach am Anfang an. Du stammst aus dem relativ unspektakulären Städtchen Neuwied in Rheinland-Pfalz, als dessen markantestes Bauwerk die über sieben Kilometer lange Deichmauer gilt. Klingt nicht gerade nach einem übermäßigen Angebot an Bildmotiven. Wie bist du zur Fotografie gekommen?

Mein Vater war schuld. Er war Schulleiter an einer Grundschule und wollte den Schülern die Heimat näherbringen. Seine Idee war es, Fotos machen zu lassen von wichtigen Bauwerken und Plätzen (von denen es auch in Neuwied einige gibt). Er fragte mich, ob ich Lust dazu hätte, solche Bilder aufzunehmen. Hatte ich. Also schenkte er mir eine Spiegelreflexkamera, Eine Icarex von Zeiss Icon. Da war ich 12.

Und bist damit losgezogen, um Neuwied und Umgebung zu fotografieren?

Ich bin damit auf die Pirsch gegangen, habe Diareihen erstellt von Koblenz bis Köln. Ich war sofort angefixt. Fotografieren wurde meine Leidenschaft.

Und du hattest quasi schon dein Sujet für dich entdeckt: Architektur.

Na ja, ich war ja erst mal von meinem Vater damit beauftragt worden, Anschauungsmaterial für den Schulunterricht zu erstellen.

Aber die Fotografie hat dich nicht mehr losgelassen.

Ja, genau. Später auf der Klosterschule hatte ich Kunst als Leistungskurs. Irgendwie habe ich den Lehrer dazu gebracht, dass er mich das ganze Jahr frei fotografieren ließ. Einzige Bedingung: Ich musste jedes Jahr eine besondere Ausstellung mit meinen Arbeiten zeigen. Die wurde dann benotet.

Das klingt nach frühem Starruhm.

Weit davon entfernt. Ich war nebenbei auch ziemlich gut in Mathe und Physik und hatte eigentlich vor, Fotoingenieurwesen zu studieren.

Aber?

Zum Glück habe ich den Numerus clausus nicht geschafft. Also habe ich eine Foto lehre gemacht. In einem Porträtstudio. Ich habe während meiner Ausbildung mehr als 11 000 Passbilder fotografiert. 

Klingt geht so aufregend.

Es war eine gute Lehre. Das waren ja meistens Bewerbungsfotos. Du hast zehn  Minuten Zeit. Es muss gut aussehen. Es muss dem Kunden gefallen und es muss mir gefallen. Ich habe die Menschen kennengelernt. Das hat mir auch später geholfen.

Für deine menschenleeren Architekturen?

Für meine Kontakte und Diskussionen mit meinen Auftraggebern.

Das sind in deinem Fall im Wesentlichen äußerst erfolgreiche und renommierte Großkunden, unter anderem weltweit agierende Architekturbüros.

Ich hatte den Wettbewerb vom Bund Deutscher Architekten (BDA) gewonnen, einen Architekturführer von Düsseldorf zu erstellen. Meine Fotos kamen gut an.

Und die Architekten rannten dir dein Studio ein …

Sagen wir mal: Es gab dadurch einige gute Kontakte zu interessanten Architekten. Helmut Jahn sah Fotos, die ich in Frankfurt von seinem Messeturm gemacht hatte, und engagierte mich. Dann kam das riesige Büro Kohn Pedersen Fox (KPF) aus New York auf mich zu. Für die fotografierte ich erst alle ihre Bauten in Europa, später dann weltweit. Ebenfalls für Christoph Ingenhoven, dem meine Art der Architekturfotografie anscheinend besser gefiel als die von seinem damaligen Fotografen.

Wie würdest du die in wenigen Sätzen beschreiben?

Ich habe die klassischen Pfade der Architekturfotografie früh verlassen, vielleicht nie richtig betreten. Mein Blick auf die Objekte ist ein anderer. Kein rein dokumentarischer, ich verlasse auch die übliche Zentralperspektive, suche andere Ansichten, neue Blickwinkel, biete besondere Aus- und Anschnitte an, arbeite mit der Vielfalt des Tageslichts. Die Gebäude und die Fotos wirken dadurch lebendiger und überraschender.

Mit Christoph Ingenhoven arbeitest du seitdem regelmäßig zusammen.

Seit dreißig Jahren. Ich habe seit dieser Zeit alle Projekte bis auf ein kleines Wohnhaus von ihm fotografiert.

Die Werke, die IDEAT in diesem Portfolio zeigt, sind aber nicht Teile deiner Auftragsarbeiten. Sie haben eine andere Geschichte und mitunter sehr skurrile Hintergrundstorys.

Ich habe bei meinen Auftragsreisen immer zwei, drei Tage drangehängt und eigene freie Projekte verfolgt. In den chinesischen Metropolen bin ich praktisch so zum Chronisten der dortigen Stadtentwicklung geworden. Im asiatischen Raum hat die Stadt ja noch einmal eine ganz andere Bedeutung als in Europa: Sie steht für Kultur, Bildung, Jobs. Die Stadt ist in Asien extrem wichtig.

Konntest du dich dort immer frei bewegen?

Als Fotograf ist das sowieso nicht immer einfach. Schon gar nicht in China. Erst recht nicht, wenn du mit einer Drohne fotografieren willst. In Peking beispielsweise ist das komplett verboten!!!

Aber es gibt solche Fotos von dir. Oder sind das Montagen?

Neiiiin! Nichts ist montiert. Du meinst das Foto vom Chaoyang Park Plaza, einen Entwurf des Büros MAD, oder?

Auch auf den dritten und vierten Blick sieht das künstlich aus.

Ist es nicht. Ich schwör! Es war Smog, normal in Peking. Wir mussten mit Drohnen fotografieren, was, wie gesagt, verboten ist. Wir erhielten die Genehmigung, Unterstützung vom Militär zu erhalten. Die stellten Drohne und Pilot, ich durfte die Kamera steuern. Um mich herum standen zehn schwer bewaffnete Soldaten mit Gewehr im Anschlag. Aber für das Ergebnis hat es sich gelohnt, finde ich.

Den Aufwand sieht man deinen Bildern nicht an. Im Gegenteil: Meist strahlen sie etwas Kontemplatives, Beruhigendes aus.

Im Gegensatz zur Entstehungsgeschichte. Bei dem Foto von der Spitze des Chrysler Buildings hatte ich mir in den Kopf gesetzt, sie aus möglichst gleicher Höhe zu fotografieren. Ich schaute mich um und identifizierte das Dach des MetLife Buildings, des ehemaligen Pan Am Buildings, als perfekten Platz. Natürlich wollte uns die Security nicht hochlassen. Nicht ohne ausreichende Versicherung. Mindestens drei Millionen! Und eine amerikanische musste es sein. Es gebe da ein Büro gleich an der nächsten Ecke. Nach vielen verwunderten Blicken und einigen herzhaften Lachern versicherte uns der Agent für 1800 Dollar. Dafür durften wir zwei Tage aufs Dach und die Spitze in jeder veränderten Lichtstimmung fotografieren.

Aus Dubai gibt es auch so ein extrem »unechtes« Motiv von dir.

Ich war dort, um Fotos für ein Buch über Burj Khalifa, das immer noch höchste Gebäude der Welt, zu machen. Es gibt in der Gegend so eine besondere Form von dichtem Seenebel, da siehst du von unten gar nichts mehr. Aber ab einer gewissen Höhe ist wieder klare Sicht. Wir quartierten uns in ein Hotel ein, Zimmer mit Blick auf das Hochhaus. Irgendwann kam unsere Stunde: Wir konnten aus dem Fenster nichts mehr sehen. Also rasten wir aufs Dach und schossen dieses Bild. Ich gebe zu, es sieht ein bisschen abstrakt aus.

Deine Bilder sind weltweit in vielen Ausstellungen und Museen zu sehen – der Ritterschlag als Künstler, oder?

Jedenfalls muss ich zugeben, dass mich das stolz macht. Mittlerweile bin ich Kooperationspartner vom Parco Archeologico di Pompei. Ich habe die gesamte Ausgrabungsstätte mit neuem (meinem) Blick fotografiert und ab Herbst gibt es große Ausstellungen. Wir starten in Köln.

Wie lange bist du eigentlich pro Jahr unterwegs?

Etwa 200 Tage. Plus/minus. Eher plus.

Und gibt es da zu Hause jemanden, der sich darüber beklagt?

Es gibt jemanden zu Hause, meine Frau, aber die beklagt sich nicht und dafür danke ich ihr sehr. Wir sind seit 33 Jahren verheiratet, haben uns auf der Berufsschule kennengelernt. Sie ist auch Fotografin. Wir leben auf einem umgebauten Bauernhof in der Nähe von Hennef bei Köln. Da habe ich außerdem das Studio mit 15 Mitarbeitern. Meine Kinder sind im Prinzip aus dem Haus. Früher habe ich sie manchmal mitgenommen auf Reisen, meinen Sohn oft nach Asien, meine Tochter mehr nach Amerika und Australien. Beide haben immer noch eine sehr große Affinität dorthin.

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