Ein Kleid für Beyoncé, Showroom-Designs für Cartier und Haute-Couture-Ranken für Dior: Knötchen für Knötchen, Schlaufe für Schlaufe hebt die Französin Laurentine Périlhou das traditionelle Flechthandwerk auf ein völlig neues Level.
Als im Winter 2022 im Atelier von Laurentine Périlhou im 100-Seelen-Dorf Limbrassac am Fuße der Pyrenäen das Telefon klingelte, wurde es hektisch. Am Apparat: Eddy Anemian, Couture-Manager des Hauses Balmain. Ob sie sich vorstellen könne, nach den Skizzen von Kreativchef Olivier Rousteing ein Makramee-Kleid für Beyoncé zu entwerfen? »Er kannte meine Arbeit, da meine Werkstatt die einzige ist, die europaweit auf Makramee-Techniken für außergewöhnliche Projekte spezialisiert ist«, erzählt die 39-Jährige, die natürlich sofort zusagte. »Zehn Tage lang, in 480 Arbeitsstunden, haben wir an dem Design aus schwarzen Seiden-, Samt- und Lacklederfäden gearbeitet. Es gab keinen Spielraum für Fehler. In solchen Fällen muss man sicher sein, ein Team zu haben, das bereit ist, nonstop zu arbeiten«, so die Französin. Olivier Rousteing war begeistert: »Die Komplexität des Musters ist verblüffend, ein wahres Kunstwerk!«
Dass Laurentine Périlhou zur Meisterin des Metiers geworden ist, hat sie einem Zufall zu verdanken. 2009 reiste sie nach ihrem Kunstgeschichtsstudium durch Peru, Bolivien und Chile und lernte dort Felipe kennen, der ihr die Grundtechniken des Makramee beibrachte. »Ich versuchte das Prinzip des Führungsdrahtes und die Richtung der Knoten zu verstehen. Ich hatte vorher noch nie Makramee gemacht, war aber sofort hin und weg von der Technik, für die man kein Werkzeug braucht – eine echte Neuentdeckung!«
Sie blieb drei Wochen, knüpfte, knotete, entwirrte, experimentierte und eignete sich so viel Know-how wie möglich an. Zurück in Paris lancierte sie ihr eigenes kleines, aber hochwertiges Schmucklabel. »Damals lernte ich die ersten wichtigen Menschen für meine Karriere kennen, etwa Laurent Tijou, den Leiter der Abteilung Schmuck und Accessoires bei Jean Paul Gaultier«, erinnert sich Périlhou. Erst arbeitete sie an einer Accessoire-Linie für die Ready-to-Wear-Kollektion der Marke, dann ging es an die Haute Couture. »Ein echter Glücksfall! Ich erkannte, dass Makramee, so wie ich es praktiziere, überhaupt nichts mehr mit dem Kunsthandwerks-Image zu tun hat, das man der Technik gemeinhin zuschreibt.«
Nach acht aufregenden Jahren in der französischen Hauptstadt zog die Künstlerin – mittlerweile junge Mutter – mit ihrer Familie zurück in ihre Heimat im Ariège. Inspiriert von der Natur, kreiert sie dort immer häufiger freie Arbeiten, stickt aufwendige Makramee-Pflanzenstillleben auf Leinwand, umknotet Keramik und Glas, integriert Federn und Schmucksteine.
Nach Paris oder in andere Metropolen reist sie dennoch häufig, um Projekte zu überwachen und Kunden zu treffen – zum Beispiel nach Hamburg in den Hermès-Flagship-Store, wo sie eine maritime Kulisse aus Tau und Ledersträngen mit 3456 Knoten knüpfte. Oder nach Wien, wo sie gerade die Dekoration für die Cartier-Boutique fertiggestellt hat, eine Wand voller Makramee-Wiesenblumen auf einem handgemalten Fond von Studio Ventta. »Unser Auftragsbuch für 2024 ist voll und wir haben Buchungen bis 2026«, sagt sie stolz. Dass in dem abgelegenen Pyrenäendorf bald wieder ihr Telefon mit einem illustren Auftraggeber am Hörer klingeln wird, ist sicher.