Meisterin des Makramee

Ein Kleid für Beyoncé, Showroom-Designs für Cartier und Haute-Couture-Ranken für Dior: Knötchen für Knötchen, Schlaufe  für Schlaufe hebt die Französin Laurentine Périlhou das traditionelle Flechthandwerk auf ein völlig neues Level.

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2023 fertigte sie das bisher aufwendigste Stück ihrer Karriere. 480 Stunden tüftelten sie und ihr Team an einem Kostüm aus Seiden-, Samt-, Rayon- und Lacklederfäden für Beyoncé. Vorlagen für das Couture-Kleid, das den Song Energy im Album Renaissance symbolisieren sollte, waren Skizzen von Balmain-Designchef Olivier Rousteing.
© Marion Saettele.

Als im Winter 2022 im Atelier von Laurentine Périlhou im 100-Seelen-Dorf Limbrassac am Fuße der Pyrenäen das Telefon klingelte, wurde es hektisch. Am Apparat: Eddy Anemian, Couture-Manager des Hauses Balmain. Ob sie sich vorstellen könne, nach den Skizzen von Kreativchef Olivier Rousteing ein Makramee-Kleid für Beyoncé zu entwerfen? »Er kannte meine Arbeit, da meine Werkstatt die einzige ist, die europaweit auf Makramee-Techniken für außergewöhnliche Projekte spezialisiert ist«, erzählt die 39-Jährige, die natürlich sofort zusagte. »Zehn Tage lang, in 480 Arbeitsstunden, haben wir an dem Design aus schwarzen Seiden-, Samt- und Lacklederfäden gearbeitet. Es gab keinen Spielraum für Fehler. In solchen Fällen muss man sicher sein, ein Team zu haben, das bereit ist, nonstop zu arbeiten«, so die Französin. Olivier Rousteing war begeistert: »Die Komplexität des Musters ist verblüffend, ein wahres Kunstwerk!«  

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Laurentine Périlhou in ihrem Studio in den Pyrenäen – weitab vom Glitz ihrer Kunden aus der Pariser Luxuswelt.
© Marion Saettele.
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Vier Mitarbeiterinnen beschäftigt sie in ihrem Atelier im Pyrenäen-Dorf Limbrassac. © Marion Saettele.

Dass Laurentine Périlhou zur Meisterin des Metiers geworden ist, hat sie einem Zufall zu verdanken. 2009 reiste sie nach ihrem Kunstgeschichtsstudium durch Peru, Bolivien und Chile und lernte dort Felipe kennen, der ihr die Grundtechniken des Makramee beibrachte. »Ich versuchte das Prinzip des Führungsdrahtes und die Richtung der Knoten zu verstehen. Ich hatte vorher noch nie Makramee gemacht, war aber sofort hin und weg von der Technik, für die man kein Werkzeug braucht – eine echte Neuentdeckung!«

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Für die eine Million Euro teure Cognac-Edition Les Remarquables de Martell beauftragte die Maison Martell die Französin mit der Fertigung eines Makramee-Mantels aus Goldfäden für einen äußerst seltenen Cognac. Périlhou ließ sich von den Weinbergen und der Geschichte des Hauses inspirieren. © Laurentine Périlhou.
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© Thierry Depagne/Ludovic Maisant.

Sie blieb drei Wochen, knüpfte, knotete, entwirrte, experimentierte und eignete sich so viel Know-how wie möglich an. Zurück in Paris lancierte sie ihr eigenes kleines, aber hochwertiges Schmucklabel. »Damals lernte ich die ersten wichtigen Menschen für meine Karriere kennen, etwa Laurent Tijou, den Leiter der Abteilung Schmuck und Accessoires bei Jean Paul Gaultier«, erinnert sich Périlhou. Erst arbeitete sie an einer Accessoire-Linie für die Ready-to-Wear-Kollektion der Marke, dann ging es an die Haute Couture. »Ein echter Glücksfall! Ich erkannte, dass Makramee, so wie ich es praktiziere, überhaupt nichts mehr mit dem Kunsthandwerks-Image zu tun hat, das man der Technik gemeinhin zuschreibt.« 

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Hermès Hamburg.
©Felix Brüggemann.
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Geduldsprobe: Gold- und Silbergarne verdichten sich zu einem schimmernden Wandbehang.
© Felix Brüggemann.
119A2359CreditLaurentinePerilhou
Die Szenerie der neuen Cartier-Boutique in Wien ist das Ergebnis einer Kollaboration der Makramee-Meisterin, dem Atelier Ventta für dekorative Malerei, der Maison Cartier und der Architektin Laura Gonzalez. »Unser geballtes kre-atives Know-how ist die Stärke des Projekts«, so Périlhou.
© Cartier, Marion Saettele, Felix Brüggemann.

Nach acht aufregenden Jahren in der französischen Hauptstadt zog die Künst­lerin – mittlerweile junge Mutter – mit ihrer Familie zurück in ihre Heimat im Ariège. Inspiriert von der Natur, kreiert sie dort immer häufiger freie Arbeiten, stickt aufwendige Makramee-Pflanzenstillleben auf Leinwand, umknotet Keramik und Glas, integriert Federn und Schmucksteine.

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Galerie Rossana Orlandi. Mailand.
© dites.bonjour.studio.
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Galerie Rossana Orlandi. Mailand.
© dites.bonjour.studio.

Nach Paris oder in andere Metropolen reist sie dennoch häufig, um Projekte zu überwachen und Kunden zu treffen – zum Beispiel nach Hamburg in den Hermès-Flag­ship-Store, wo sie eine maritime Kulisse aus Tau und Ledersträngen mit 3456 Knoten knüpfte. Oder nach Wien, wo sie gerade die Dekoration für die Cartier-Boutique fertiggestellt hat, eine Wand voller Makramee-Wiesenblumen auf einem handgemalten Fond von Studio Ventta. »Unser Auftragsbuch für 2024 ist voll und wir haben Buchungen bis 2026«, sagt sie stolz. Dass in dem abgelegenen Pyrenäendorf bald wieder ihr Telefon mit einem illustren Auftraggeber am Hörer klingeln wird, ist sicher. 

laurentineperilhou.com