Markus Benz, CEO der traditionsreichen Einrichtungsmarke Walter Knoll, ist leidenschaftlicher Afrika-Reisender. Seine gesammelten Impressionen – eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen aus Ländern wie Namibia, Tansania und Kenia – übersetzte er gemeinsam mit dem befreundeten Künstler und Textildesigner Helmut Scheufele in die Teppichkollektion Legends of Carpets. IDEAT erzählt er, warum uns die geknüpften Kunstwerke bestenfalls agil halten und sogar Sinnesexplosionen auslösen.
Herr Benz, das Unternehmen Walter Knoll steht für handwerklich meisterhaft gefertigte Möbel. Warum nun auch Teppiche?
Es war die Chance, ein Produkt unabhängig von Wohn und Officekategorien zu entwickeln – eine Marke in der Marke. Überdies hat ein Teppich etwas Archaisches, das fand ich spannend. Es ist ein persönliches Stück, das symbolisiert: »this is my space«, wie das Fell, auf dem wir einst lagen. Aber um besondere Teppiche zu kreieren, braucht es eine starke Idee. Die zu finden war das eigentlich Schwierige.
Was war die Herausforderung?
Erst einmal steht man vor der ganzen Welt der Teppiche: Welches Motiv und Material, welche Machart soll er haben, geknüpft, geknotet oder gewebt? Um das herauszufinden, habe ich versucht, die Codes zu entziffern, die Menschen berühren, die sie ansprechen: Wie sind wir gemacht? Wofür sind wir offen?
Das klingt nach einer umfassenden Studie…
Das war sie auch! Die Voraussetzung dafür waren meine Reisen. Was mich immer interessiert hat, sind Naturvölker wie die Inuit in Nordkanada, die Aborigines in Australien und die Maori in Neuseeland. Auf eine gewisse Weise schienen sie mir alle gleich zu sein. Warum? Weil weniger Kulturmüll auf ihnen lastet als in unseren Gesellschaften. Sie sind viel ursprünglicher. Dann habe ich mich gefragt, was uns Menschen »social«, also gesellschaftsfähig macht. Tugenden wie Vertrauen, Respekt, Verantwortung und Loyalität. So hat man eine ganze Menge Werte, die uns als soziale Wesen auszeichnen.
Sind diese Gemeinsamkeiten Teil der von Ihnen gesuchten Codes?
Genau und es gibt weitere Parallelen. Handwerk zum Beispiel fasziniert Menschen in jeder Kultur. Alle fertigen etwas mit ihren Händen, das sie für schön befinden, etwa wertvolle Textilien, Schmuck oder verzierte Körbe. Unsere Faszination für Handwerk liegt wohl auch darin begründet, dass ein Großteil unseres Hirns darauf ausgelegt ist, mit den Händen zu arbeiten. Damit hatten wir schon eine wichtige Zutat für unser Teppichprojekt: Handwerklichkeit spricht uns an, also sollten es am besten handgeknotete Teppiche sein.
Und die Frage nach der Materialität?
Wir sind alle materialaffin. Jede Kultur hat Materialien, die sie besonders schätzt, hochwertiges Leder, Wolle, edle Steine oder Holz. Dabei fällt auf, wie häufig wir diese Affinitäten teilen, obwohl wir aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Also haben wir uns für die klassischen Teppichmaterialien Wolle, Seide und Brennnessel entschieden, die ja auch in Asien verwendet werden.
Und die Frage nach der Materialität?
Wir sind alle materialaffin. Jede Kultur hat Materialien, die sie besonders schätzt, hochwertiges Leder, Wolle, edle Steine oder Holz. Dabei fällt auf, wie häufig wir diese Affinitäten teilen, obwohl wir aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Also haben wir uns für die klassischen Teppichmaterialien Wolle, Seide und Brennnessel entschieden, die ja auch in Asien verwendet werden.
Fehlt nur noch … die Idee für ein Motiv.
Tja, und tatsächlich kam ich an diesem Punkt erst mal nicht weiter. Und wenn du nicht weißt, wie es weitergeht, geh zurück zu deinen Ursprüngen!
Die da wären?
Die Wiege der Menschheit in Afrika. Ich bin also mit einem langjährigen Freund, dem Textildesigner Helmut Scheufele, nach Marrakesch gereist. Ein Berber aus dem Atlas hat uns durch die Souks geführt, zu besonderen Menschen, an spannende Orte und zu schönen Teppichen. Was mich am meisten fasziniert hat, war weniger deren Machart, denn die ist einfacher als die Handwerkskunst in Asien, sondern die Kreativität: Mitten im Teppich entdeckt man ein farbiges Einsprengsel, den »fliegenden Faden«, der nicht zur sonstigen Farbigkeit passt, ein lustiges Detail, an dem man hängen bleibt und sich fragt: Was hat sich der Künstler dabei gedacht?
Brachte das den gewünschten Aha-Effekt?
Leider nein, so richtig schlau war ich nach der Reise immer noch nicht. Ein Jahr später war ich in Namibia, Kenia und in Tansania im Ngorongoro-Krater. Dort habe ich gedacht: Wenn das unser Ursprung ist, müssten doch die Landschaften Afrikas im Stammhirn als lebenswert abgespeichert sein und alle Menschen verbinden – so meine Theorie. Tatsächlich gab es einen Versuch, bei dem man Schulkindern Landschaftsbilder vorgelegt hat. Die am höchsten bewerteten waren Landschaften Afrikas.
Und die Idee für die Motive war geboren! Wie wurde sie auf die Teppiche übertragen?
Ich habe wieder angefangen zu fotografieren und ein paar schöne Bilder geschossen. Aber wir brauchten ja jemanden, der diese Eindrücke handwerklich überhaupt umsetzen kann. Hier haben wir mit Jan Kath (siehe S. 115) zusammengearbeitet, der geeignete Knüpfer kannte, und vor allem einen »Transformator«, der den Knüpfern unsere Ideen vermittelte.
Sind die Teppiche Abbilder Ihrer Fotos?
Nein. Hier kommt der Künstler Helmut Scheufele ins Spiel. Mir war es wichtig, ihm nicht etwa ein Foto von Sossusvlei in Namibia vorzuhalten und zu sagen: Male mir davon ein Landschaftsbild. Das wäre wenig kreativ. Ich wollte, dass er etwas produziert, das dem Ausdruck seines Geistes und Gemüts entspricht. Dass die künstlerische Transformation möglichst viel Raum hat, um sich auszudrücken. Die Teppiche sind auf Basis seiner Malereien entstanden, nicht nach einer bestimmten Fotografie. Das Faszinierende ist: Jeder Teppich lässt sich nach seiner Fertigstellung einer Aufnahme zuordnen – da gibt es verblüffende Parallelen.
Ich möchte wetten, die Fotografie mit
dem Massai in der Savanne ist direkt als Teppichdesign übertragen worden …
Die Vermutung liegt nahe wegen des roten Einsprengsels, das sich auf das rote Tuch beziehen könnte. Aber so ist es nicht. Tatsächlich haben wir die Bilder erst mit fertigen Teppichen »gematcht«.
Wie lange haben Sie für die Entwicklung der Legends of Carpets-Linie gebraucht?
Jahre! Bei den Unis, die ebenfalls zur Kollektion gehören, wollten wir beispielsweise das gekräuselte Meerwasser bei Swakopmund symbolisieren oder das sogenannte Buschmannsgras. Am Anfang sahen die Unis aus wie Auslegeware, katastrophal. Wir mussten den richtigen Twist finden – wie färbe ich das so, dass diese speziellen Landschaften entstehen? Helmut Scheufele hat dafür seine Malprozesse über viele Monate verfeinert. Schließlich hatten wir die tollen komplexen Muster und die echte Farbigkeit. Im Modell Jioni sind bis zu 80 Farben drin, bei rund 240 Färbeprozessen – wie die flimmern!
Wie erreichen Ihre Vorlagen die Knüpfer?
Die gemalten Arbeiten werden digitalisiert, gepixelt und in die Manufakturen im Himalaja geschickt. Daraus machen die Knüpfer dann wieder ihre eigenen handgemalten Vorlagen, die sie und ihre Familien verstehen. Nach nunmehr zehn Jahren haben sie verinnerlicht, was wir uns wünschen. So lancieren wir alle zwei Jahre nur rund vier, fünf Teppiche.
Was macht einen Teppich für Sie perfekt?
Es ist vor allem, wie die Farben und Materialien zusammenkommen. Die Kunst liegt für mich weniger in noch feineren Knoten, denn mehr Knoten und Länge beeinflussen die Lieferzeit. In der Breite kann ich mehrere Knüpfer nebeneinandersetzen, in der Länge nicht. Es muss also eine Knotenstärke sein, die in die gegenwärtige Zeit passt.
Wie ist die Resonanz Ihrer Kunden?
Für mich ist interessant, ob die Codes greifen, auch bei Kunden, die noch nie in Afrika waren. Ich kenne jedenfalls kaum jemanden, der dort war und nicht ein bisschen verzaubert wiederkommt. Der gesunde Mensch nutzt ja sein ganzes Gehirn – und wenn da eine Sinnesexplosion stattfindet, wie beim Anblick eines außergewöhnlichen Teppichs, dann haben wir unseren Job besonders gut gemacht. Man kann das Ganze ja auch noch weiterdenken: Hat dieses Wohlgefühl Konstanz? Hat es eine Tiefe, die mich persönlich weiterbringt? Wenn ich als Mensch eine Umgebung habe, in der ich mich wirklich wohl fühle, hält sie mich agil und leistungsstark. Dann habe ich die Energie, die ich eigentlich brauche. Denn echtes Wohlbefinden ist ein Status dauerhafter Leistungsfähigkeit.
Würden Sie also sagen: Ziel erreicht?
Wir haben uns über die Jahre ein wunderbares Produktfeld geschaffen, was uns als Marke guttut, was mich aber auch als Mensch bewegt. Damit mir ein Teppich wirklich etwas gibt, muss sich einer schon etwas einfallen lassen! In meinem Wohn und Arbeitsumfeld möchte ich schließlich Dinge, die mein Wohlbefinden steigern. Und wenn ich beim Anblick eines Teppichs das Gefühl habe, das ist die Erde, von der ich stamme, in all ihrer Schönheit, dann gibt mir das besonders viel.