Zeitkapsel in London

Die Architektin Marina Tabassum aus Bangladesch konstruiert den Serpentine Pavillon 2025 als einen Bogenbau, der die Natur herein holt.

Jedes Jahr im Januar wird mit Spannung erwartet, welcher namhafte Architekt einen temporären »Pavillon« im Londoner Hide Park vis à vis des Kunstinstituts Serpentine Gallery errichten darf. Der Wettbewerb, der im Jahr 2000 mit Dame Zaha Hadid begann, hat die ersten Bauwerke auf britischem Grund von bedeutenden internationalen Architekten und aufstrebenden Talenten hervorgebracht. Letztes Jahr setzte der Koreaner Minsuk Cho mit seinem Studio Mass Studies einen begehbaren Stern auf die Wiese.

Road View 2025 Pavilion
Serpentine Pavillon 2025. Marina Tabassum.

Auch in diesem Jahr kommt die Architektur aus Übersee: Ausgewählt für den Serpentine Pavillon 2025 wurde der luftige Entwurf A Capsule in Time der Architektin Marina Tabassum aus Bangladesch. Neben Bauprojekten in der Stadt Dhaka erstreckt sich ihre Praxis auf die Erforschung der Umweltzerstörung in Bangladesch, einem Land, das besonders mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen hat, und auf Architektur zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Randgruppen – etwa mit dem berühmten Khudi Bari (Kleines Haus, 2020 -fortlaufend), das für Menschen entwickelt wurde, die auf den Sandbänken der Flüsse Jamuna, Meghna und Teesta leben und die bei Bedarf leicht demontiert und versetzt werden können.

Mit ihrer gewölbten Konstruktion in London, präsentiert sie nun einen überraschenden Mix aus Tradition und Innovation – ein architektonisches Statement, das tief in der Kultur des indischen Staates verwurzelt ist. Tabassum baute den Pavillon aus lokalen, umweltfreundlichen Materialien wie Bambus, Holz und Lehm. Inspiration lieferten ihr die traditionellen »Bengali huts« ihrer Heimat.

Aerial View 2025 Pavilion
Serpentine Pavillon 2025. Marina Tabassum.

Doch statt deren Formen zu imitieren, nutzt sie deren Konstruktionstechniken auf oderne Weise. Der dünnwandige Bau ist transluzent, ein Raum, der sich in die Natur des Londoner Hide Parks einfügt. Durch das Spiel von Licht und Schatten entsteht eine fast magische Atmosphäre, die je nach Tageszeit ihre Form verändert. Die Struktur selbst ist eine Mischung aus Offenheit und Intimität: Sie lädt dazu ein, sich zu begegnen, sich zurückzuziehen oder einfach zu verweilen. Ein Raum, der zugleich Schutz und Freiheit bietet. Eine Zeitkapsel, die zum Nachdenken anregt, aber vor allem einlädt, einfach zu genießen.

Portrait of Marina Tabassum © Asif Salman 2
Marina Tabassum.
© Asif Salman.

Für Tabassum steht dieser Pavillon als Symbol für die Balance zwischen der reichen kulturellen Vergangenheit ihres Landes und den Herausforderungen der Gegenwart. »Ich wollte eine Architektur schaffen, die die Verbindung zwischen Mensch, Tradition und der Umwelt thematisiert«, erklärt sie. »Das archaische Volumen einer Halbkapsel, die durch Geometrie erzeugt und in halbtransparentes Material gehüllt ist, wird ein Spiel von gefiltertem Licht erzeugen, dass die Struktur durchdringt wie eine Shamiyana (Pagode) bei einer bengalischen Hochzeit.«

Info: Tabassum ist Professorin an der Delft University of Technology in den Niederlanden. Sie hatte den Norman-Foster-Lehrstuhl an der Yale University im Jahr 2023 inne und lehrte als Gastprofessorin an zahlreichen Universitäten, u.a. an der Harvard University Graduate School of Design.

 

Serpentine South

6 June – 26 October 2025

serpentinegalleries.org