Abschiede, Transformationen, textile Erinnerungsarbeit – Paris zeigt, was Haute Couture heute (noch) sein kann.
Au revoir, Demna!
Mit seiner finalen Kollektion verabschiedet sich Demna Gvasalia nach einem Jahrzehnt bei Balenciaga – mit Maßarbeit, Nostalgie und neapolitanischer Schneiderkunst. Hollywoods goldene Ära wird heraufbeschworen: Naomi Campbell schreitet in einem schwarzen, paillettenbesetzten Kleid über den Laufsteg. Ein direkter Gruß an Marilyn Monroe. Kim Kardashians Look, sie läuft ebenfalls in der Show, versteht sich laut Demna als Ode an Elizabeth Taylor, komplettiert durch einen „Mink“-Mantel aus gestickten Federn und echten Diamanten von Lorraine Schwartz. Zwischen all dem Glamour blitzt auch Intimes auf: Ein florales Muster auf einem Maxirock und dazugehörigen Blazer erinnert an die Küchentischdecke aus der Kindheit des Designers. Die wie gegossen wirkenden Anzüge zitieren Cristóbal Balenciagas Silhouetten – umgesetzt in enger Zusammenarbeit mit vier neapolitanischen Familienateliers, Duvelleroy-Fächermachern und den Meister von Maison Lesage.



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Auf ins weite Land
Chanel zieht hinaus ins Freie – durch englische Landschaften, schottische Weiten und zurück zur Rue Cambon. Tweed wird gestrickt, Bouclé sieht aus wie Schafwolle, Federn schimmern als Weizenähren. Die Farben bleiben erdig: Ecru, Moosgrün, Schwarz. Florale Stickereien, goldene Knöpfe und Lamé flackern auf wie Sonnenreflexe. Es ist eine Kollektion über Bewegung, Material und Maß – inspiriert von Gabrielle Chanels Idee, dass Freiheit immer tragbar bleibt.



Mehr ist mehr
Glenn Martens entwirft für Maison Margiela eine Kollektion, die Vergangenheit und Gegenwart auf vielschichtige Weise miteinander verbindet. Die Silhouetten wirken wie Skulpturen: mal schmal und aufgerichtet, mal übergroß und fast zerfallen. Verstärkt wird der Effekt durch die hinter Masken verborgenen Gesichter. So verschiebt sich der Fokus auf die Schnittführung, die Stoffe und die Textur. Lange Kleider mit hochgezogenen Krägen stehen neben Mänteln, deren Oberflächen wie aufgebrochene Tapeten wirken. Die Materialien sind so vielfältig wie die Schnitte: bemalter Stoff, gealtertes Leder, glänzender Kunststoff, Papier.



Ein Hauch von Nichts
Ein bisschen fühlt sich die Kollektion der französischen Designerin Julie de Libran an wie ein warmer Windhauch. Mit leichten Stoffen, fließenden Silhouetten und zarten Schnitten schafft das Label eine Art Schwerelosigkeit inmitten der sonst so schweren Winterstoffe. Korsetts, Slips und nachtkleidähnliche Kleider greifen auf klassische Lingerieformen zurück, während die Farbwelt die Leichtigkeit mit Nuancen aus Weiß, Beige und einem Hauch von Gold unterstreicht.



juliedelibran.com
Surrealismus vom Feinsten
In der jüngsten Schiaparelli-Kollektion dreht sich alles um Reduktion, Kontrast und die Frage, wie sich Vergangenheit und Zukunft neu zusammensetzen lassen. Schwarz, Weiß und Silber bestimmen das Bild. Gesetzte Silhouetten, modellierte Formen, strukturierte Anzüge, transparente Tülllagen und skulpturale Details prägen die Designs. Das Herzstück der Kollektion ist, ganz buchstäblich, ein Herz: eine rote Kristallnachbildung, die im Nacken des skulpturalen Kleides schlägt wie ein echtes Organ. Es sind diese Momente, in denen Roseberrys Konzept Couture wird – greifbar, konkret, leicht surreal. Die bekannten Codes der Maison tauchen wieder auf: das Auge, das Maßband, anatomische Symbole.



