Prächtiges Revival

Im Château de Purnon überdauerten sie (fast) unbeschadet die Zeit: jahrhundertealte Tapeten, die von den neuen Schlossbesitzern  gerettet und von Farrow & Ball für die Gegenwart adaptiert wurden.

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In einer Leinenpresse fand man Tapetenreste mit Blatt-motiv – ursprünglich schmückten sie ein elterliches Schlafzimmer. Heute gleicht das Dekor Baracé beinahe dem uralten Fundstück.
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Baracé. Farrow & Ball.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.

 

Noch immer entpuppt sich mancher Dachboden als wahre Schatzkammer. Vor allem wenn er eine halbe Ewigkeit nicht betreten wurde. So wie der von Château de Purnon, das 1788, ein Jahr vor Beginn der Fran­zösischen Revolution, als herrschaftlicher Wohnsitz für Antoine-Charles Achard, Marquis de la Haye, südlich des Loire-Tals erbaut wurde.

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Die Australier Felicity Selkirk (im Blaumann) und Tim Holding begutachten gemeinsam mit ­Farrow & Ball-Kreativdirektorin ­Charlotte Cosby die Tapete ­Auguste. Durch das Handdruckverfahren bleiben erhabene Strukturen erhalten, so wie schon anno dazumal.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.

Der Koloss im Louis-XVI-Stil verfiel jedoch über die Jahre – bis er 2020 neue Eigentümer fand: Felicity Selkirk und Tim Holding aus Australien. Ihr ehrgeiziges (und mutiges) Ziel: das Schloss mitsamt der 105 Zimmer in seinen Ursprungszustand zurückzuversetzen und Besuchern zugänglich zu machen (die Originalbauzeichnungen des Architekten Bourgeois schlummerten in den Archiven der Ruine). Mit Unterstützung des französischen Kulturministeriums nahm das Paar diese Mammutaufgabe an – eines der zurzeit größten privaten Sanierungsprojekte des Landes! Dass die beiden dabei auch sehr respektvoll vorgehen und selbst bei den härtesten Arbeiten mit anpacken, ist ein Glücksfall. Denn sonst wären sie vielleicht nicht eines Tages die morschen Stufen zum Dachstuhl emporgestiegen, wo sie eine großartige Entdeckung machten: In einer Leinenpresse verborgen lagen verblasste, aber gut erhaltene Tapetenreste. Auch in einigen Sälen, auf zerfallenen Paravents und in Ankleidezimmern hatten Fragmente uralter Dekore die Zeit überdauert.

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Das Muster ­Auguste verzierte damals ein Ankleide­zimmer des Châteaus. Es wurde nach dem ­ältesten Sohn des Marquis benannt, der das Schloss erbaut hat und ein Klassenkamerad von Napoléon ­Bonaparte war. Eigentlich sollte er das Château erben, verlor aber während der Revolution sein Leben.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.
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Versteckt unter vielen Schichten: das geometrische Muster Achard.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.

Da sie ahnten, dass es sich hierbei um unwiederbringliche Motive handelte, wandten sich die zwei an Farrow & Ball, bekannt als Konservator antiker Tapetendekore. »Ich war begeistert, als ich die historischen Muster sah«, erzählt Charlotte Cosby, Kreativdirektorin der britischen Marke. Für sie war klar: Die Fragmente mussten gerettet und als Vorlagen für neue Designs verwendet werden, die eng mit der Geschichte des Schlosses verbunden sind.

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Namensgeberin des Designs Adelaïde war die Tochter des eins­tigen Schlossherrn. Es zierte damals ihre Ankleide. Stark ­vergrößert hat es heute eine moderne Anmutung.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.
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Adelaide. Farrow & Ball.
© Farrow & Ball, Robin Kitchin, James Merrell.

Heute werden die Purnon Papers in Südengland mit feinstem Papier und ­manufaktureigener Farbe von Hand im Flachbett- oder Rollenblockverfahren in zarten Tönen von Seegrün bis Blassrosa gedruckt. Und so erlebt die At­mosphäre des »Monument Historique«, in dem Adlige und Jagdgesellschaf­­­ten feierten, in zeitgenössischen Interieurs eine Renaissance. 

farrow-ball.com 
chateaupurnon.com