Im Chaumont-sur-Loire auf den Spuren der Gartengeister

Zur alljährlichen Kunstsaison warten neue Skulpturen namhafter Künstler inmitten des fantastischen Landschaftsparks der Domaine de Chaumont-sur-Loire darauf, entdeckt zu werden.

img 9337 ret
Damien Cabanes hat seine meterlange Leinwand direkt auf dem Gras vor dem Schloss ausgerollt.
es 9875 0
In den Heubodengalerien des Agnès-Varda-Hofs lassen sich die Frische und Düfte der Gärten durch Damien Cabanes Werk nacherleben.

»Wissen Sie, in Chaumont-sur-Loire schrecken wir vor nichtszurück«, scherzt Chantal Colleu-Dumond, Direktorin und Kuratorin des Kunst- und Naturzentrums an der berühmten Schlösserroute der Loire. Das, worauf sie anspielt, versteckt sich im Unterholz des 32 Hektar großen Parks: die Grotte Chaumont, ein monumentales, knapp acht Tonnen schweres Keramikungetüm mit weit aufgerissenem Schlund. Erschaffen hat die Kreatur der bekannte Künstler Miquel Barceló in Anlehnung an die Chauvet-Höhle Ardèche mit ihren berühmten Felsmalereien.

ES 8395
In derartigen Dimensionen wie beim neuen Höhlenschlund La Grotte Chaumont, der in einer Ziegelwerkstatt in seiner Heimat Mallorca aus Keramik gefertigt wurde (acht Tonnen schwer!), arbeitet der spanische Künstler Miquel Barceló selten. Inmitten des Unterholzes sperrt das gefräßige Monster seinen Rachen auf
es 9453
Sieht aus wie entrindete Äste, ist aber Bronze: Die Waldgeist-Skulptur Atys von der französischen Bildhauerin Prune Nourry haust unter Tannenzweigen. Geschaffen wurde sie 2022 für die gleichnamige barocke Ballettoper von Jean-Baptiste Lully, choreografiert von Angelin Preljocaj.

Diese »neue Verrücktheit« hat sich zum diesjährigen Kunstfestival gemeinsam mit 13 anderen geheimnisvollen Waldwesen auf dem Gelände eingenistet. Ein paar haben sich unter Tannen versteckt, andere um Baumstämme gewickelt, in Scheunen verkrochen und auf Teichen niedergelassen. »Die Naturinszenierung erinnert diesmal an die Gärten von Bomarzo«, erklärt die Kuratorin, »eine italienische Parkanlage, die für ihre märchenhaften Statuen und Architekturen bekannt ist.« So tragen etwa die unter Zedern wachenden Bronzefiguren der Künstlerin Prune Nourry Astkronen auf den Köpfen.

es 9652
Tonskulptur Der Mieter. Gloria Friedmann.

Unter dem Vordach der alten Ställe ragt eine monumentale Tonskulptur von Gloria Friedmann empor, bei der ein Mann auf einer Kugel sitzt, die auf einem Schildkrötenpanzer balanciert. Und ­Pascale Marthine Tayou, auch ein zeitgenössischer Kunststar, lässt an Zweigen PET-Flaschen statt Blüten sprießen. Neben den mysteriösen Gestalten und rätselhaften Objekten tauchen zudem die Cortenstahl-Kringel des Bildhauers ­Bernar Venet und die wie Schachtelhalme ­ineinandergesteckten Stahlschlangen von Vincent Barré auf den Wiesen auf.

ES 1054
Restaurant Le Grand Chaume.
ES 4741
Eine Mini-Hüttensuite auf dem Gelände des Hotels Le Bois des Chambres.

Eine Landpartie mit Überraschungsmomenten

»Ich spüre, wann ein Werk in einen Dialog mit der Landschaft, den Bäumen und der Architektur treten kann«, erzählt Chantal Colleu-Dumond. »Dabei spielt der Standort der Werke die entscheidende Rolle. Die Kunst ist, dem Besucher das Gefühl zu geben, dass jedes Werk schon immer da war.« Beson­ders stimmig wirkt das Konzept im Tour de Diane. Der Form des Turmes folgend hat hier der Konzeptkünstler Kôichi Kurita seine Landbibliothek Terres de Loire im Kreis aufgestellt. Es sind kleine Fläschchen mit Erden aus der Loire-Region, die durch ihre verschiedenen Nuancen Geschichten der Gegend erzählen. Und wer noch mehr Lust auf Land-Art hat: Gleich ­nebenan erstrecken sich bäuerliche, wüstenähnliche und wilde Natursze­na­rien auf dem Gelände des Internationalen Gartenfestivals. 

Die Kunstsaison 2024 im Chaumont-sur-Loire läuft noch bis zum 27.10.2024. Das internationale Gartenfestival bis zum 03.11.2024.

domaine-chaumont.fr
JL DSCF5511
Seine filigrane Arbeit Laissez entrer le soleil schuf Pascal Oudet aus einer 70 Jahre alten Eiche, die er in einem Wald an der Côte-d’Or fand. An seinem Rand weist das Objekt Spuren von vier Dürrejahren auf, die seine Entwicklung beeinträchtigt haben. Die Skulptur wurde mit dem Liliane-Bettencourt-Preis für besondere Handfertigkeit – Talents d’exception 2023 ausgezeichnet.
ES 2175
Auf dem Rundgang durch den Park imponieren die Cortenstahl-Bögen des Franzosen Bernar Venet.
es 9431 0
Das Künstlerduo Anne und Patrick Poirier taucht das mit Blattgold verzierte Bronzegebilde Mundo Perdido (1983–2020) ins Wasserbassin. Die glänzende Pyramidenform ähnelt der antiken Mayastätte Tikal in Guatemala.