Wo sich viel Gutes zusammenbraut

Neue Viertel haben die Kopenhagener schon öfter gebaut. Doch noch nie wurden historische Gebäude so kühn mit modernem Lifestyle verknüpft wie im Carlsberg-Distrikt. Ein Streifzug durch das Areal mit viel Charme, Chic und Charakter.

b 575A0974 scaled
Das Wahrzeichen von Carlsberg City ist bis heute das Elefantentor mit seinen insgesamt vier Riesen aus Granit.

Ist das noch Kopenhagen? In fußläufiger Entfernung zum grünen Frederiksberg mit seinem Zoo und dem idyllischen Schlossgarten schieben sich rostrote Turmriesen in das Blickfeld. An manchen kleben Kräne, andere reflektieren mit ihren Fensterflächen die Sonne, die das Quartier an diesem Abend in warmes Licht hüllt. Carlsberg-Distrikt das klingt nach altem Werksgelände und Lagerhallen-Ambiente, doch auf diesem historischen Terrain entsteht Neuland. Wo einst mit Fässern beladene Pferdewagen fuhren, geht die Straße Ny Carlsberg Vej in Kopfsteinpflaster über und führt durchs Eingangsportal zum Carlsberg-Distrikt. Wie zur Begrüßung stehen hier vier monumentale Elefanten aus Granit Spalier, verbunden mit einem Doppeltor aus Spitzbögen, goldenem Fries und Uhrenturm.

Elefanten- und Doppeltor bilden das Zentrum des Quartiers, in dem Carlsberg über 150 Jahre Bier braute, bevor das Unternehmen die Produktion 2008 nach Jütland verlagerte. Seitdem erfindet sich Carlsberg City neu. »Was hier gerade pas­­siert, ist einmalig in Kopenhagen. Auf einem Gelände mit viel Geschichte entsteht ein Mix aus modernem Wohnen, Arbeiten und Ausgehen«, erzählt Peter Bur, der mit seinem Stadtplanungsbüro Briq die Ansiedlung von Manufakturläden, Concept-Stores sowie Gastronomie unterstützt. Da­ bei geht es um die große Frage: Wie bekommt man Leben ins denkmalgeschützte Ensemble? Die Grundlage dafür lieferte das­ Architekturbüro Entasis mit einem kühnen Masterplan. Inspiriert von der toskanischen Stadt San Gimignano mit ihren mittelalterlichen Geschlechtertürmen wurden rund um die bestehenden Gebäude im Carlsberg-Distrikt schlanke Hochhaustürme errich­tet. »Alle Neubauten liegen etwas zurückversetzt, sodass man auf den Wegen nicht direkt darauf stößt«, erklärt Bur das Konzept. Außerdem sollten keine Parallelachsen entstehen, dafür kleinere Wege, die auch mal ungerade verlaufen und sich an Plätzen kreuzen.

Am Bryggernes-Platz hat die Verzahnung von gestern und heute bereits Gestalt angenommen: Die eine Seite zieren Brunnen und Sitztreppen, die andere ist gesäumt von der roten Ziegelfassade des Boutiquehotels Ottilia, benannt nach der Frau des Brauers Carl Jacobsen (dem Sohn des Gründers). Das Gebäude diente einst als Lagerhalle für das Bier. Jedes Zimmer mit seinen polierten Betonwänden und hohen Decken hat ein kreisrundes Fenster, durch das früher die Fässer gehievt wurden.

ARA 9373
Das Zentrum von Carlsberg City ist der neue Bryggernes-Platz, umgeben von historischen Gebäuden wie der ehemaligen Brauerei mit der Balkonfassade, die vom Palazzo Bevilacqua in Verona ­ inspiriert ist. Im Museum Home of Carlsberg erfährt man auf interaktive Weise die Story des Unternehmens: Frisch Gezapftes vom Fass ist inklusive.

Von hier aus schaut man aufs ehemalige Brauhaus, das zu einer Kul­ turadresse umgebaut werden soll, und auf einen Neu­ bau namens Reservoir. In Kürze wer­ den dort mehrere Kinos und ein ­ Open-Kitchen-Restaurant eröffnen. Industrial Look, gepaart mit skandinavischer Eleganz. Ebenso zum Ensemble gehören neun neue Turmbauwerke von 50 bis 120 Meter Höhe in rost­ roter Stahlverschalung. Eines von ihnen säumt den Weg vom Platz hinauf auf den Hügel zur einstigen Wasserquelle für die Brauerei. Der Name der berühmten Biermarke entstand aus der Kombination aus Carl, dem Vornamen des Juniors Jacobsen, und Berg (dänisch: Bjerg), wie man in Dänemark gern eine kleine Erhebung nennt.

Bierbrauer mit Hang zu schönen Künsten

Wie man in dem neu eröffneten Museum Home of Carlsberg erfahren kann, widmete sich der Senior der Perfektion des Brauens, während sich Carl und Ottilia in Paris und Rom von den schönen Künsten inspirieren ließen. Die Hingabe des Paares zu dieser Ästhetik spiegelt sich überall in den Werksgebäuden wider – so ist etwa das Elefantentor eine Anspielung auf den berühmten, Obelisk tragenden Elefanten von Bernini an der Piazza della Minerva in Rom.

ARA 7766
Einen gelungenen Kontrast zwischen Alt und Neu: die Straße Ny Carlsberg Vej mit der jüngst erbauten Internationalen Schule und dem gegenüberliegenden Schornstein im ehemaigen Werk. Er ist mit Motiven von ägyptischen Lotusblumen verziert.

Coole Shops, roter Backstein und Italo-Flair

Dabei zu sein, wenn sich ein Stadtteil vom stillgelegten Industriegebiet zum urbanen Hotspot entwickelt, das sei reizvoll, findet Melanie Franch Hansen vom Lifestyle-Shop By Adelborg. Er vereint Hunderte von Design-Pieces – Mode ebenso wie Möbel und Wohnaccessoires. »Carlsberg City hat viel alten Charme und ist trotzdem nie fertig«, sagt die Managerin, »ständig macht ein neuer Laden auf.« So wie das Restaurant Studio in der Nähe, von dem die dänische Tageszeitung Politiken schrieb, es punkte mit erstklassiger nord­ischer Küche und Topservice. Beides trifft auch auf das Aamanns Genbo zu, in dem Smörrebröd, reich belegt mit Hering oder Shrimps, zu den Delikatessen zählt. Ja, sie lebt schon, die neue City. 80 Prozent der Gebäude sind fertig, rund 10 000 Menschen wohnen hier, einige tausend Arbeitsplätze sind entstanden.

Wer ein bisschen nordisches Little Italy spüren möchte, kann sie in der Fadet erleben – einer ungerade verlaufenden Gasse mit Sitzecken, kleinen Plätzen und Läden wie der italienischen Weinbar Liquo. Von hier ist es nicht weit bis zur vielleicht mondänsten Passage des Viertels. In Flaskehalsen reihen sich Mode- und Möbeldesigner aneinander, dazwischen kleine Manufakturläden wie File Under Pop, in dem die Inhaberin Wand- und Fliesenfarben nach Musikstücken komponiert. Müde vom Schlendern? Oben auf der Rooftop- Terras­se im Hotel Ottilia kann man sich zum Drink ei­nen 360-Grad-Panoramablick auf die Neu­ erschaffung gönnen. Irgendwo surrt immer ein Kran, dringt ein Klopfen und Hämmern ans Ohr. Was einen daran erinnert: Die Geschichte von Carlsberg City ist noch nicht zu Ende.

homeofcarlsberg.com
wonderfulcopenhagen.com
visitcopenhagen.de