Das Kröller-Müller-Museum und sein Skulpturenpark liegen mitten im niederländischen Nirgendwo – und doch pilgern Menschen aus aller Welt dorthin. Ein Ausflug zu den Avantgardisten.
Wenn sich Benno Tempel morgens auf den Weg von Amsterdam in die 1500-Seelen-Gemeinde Otterlo macht, ist das wie eine Fahrt in eine andere Welt. Statt Krach und Grachten prägen nach einer Autostunde Flora und Fauna die Szenerie: Wald, Wiesen, Wacholderbüsche, Dünen, Moore, Seen, manchmal huschen Rehe vorbei, sogar Rothirsche und Mufflons. Aber Benno Tempel ist kein Ranger, sondern neuer Direktor des Kröller-Müller-Museums und das befindet sich mitten im Nationalpark De Hoge Veluwe.
»Es ist ein Ort, an dem man der Hektik des Alltags wirklich entfliehen kann«, schwärmt der 51-Jährige mit charmantem Rudi-Carrell-Akzent. »Umgeben von Natur, Kunst und Architektur können die Besucher durch das Gelände spazieren oder es mit einem der weißen Fahrräder, die an den Eingängen kostenlos zur Verfügung stehen, erkunden – ein besonderes Erlebnis.« Vor allem jetzt, wenn der Rhododendron blüht. Benannt ist das Museum nach der deutsch-niederländischen Sammlerin Helene Kröller-Müller (1869 – 1939), die das Areal mit ihrem niederländischen Ehemann als Jagdrevier kaufte.
Vor allem aber jagte die Tochter eines Essener Stahlindustriellen moderne Kunst und erwarb im Laufe ihres Lebens mehr als 11 000 Exponate, darunter Werke von Monet, Picasso und Mondrian sowie zahlreiche Van Goghs, die den Grundstein für die zweitgrößte Sammlung des Malers weltweit bildeten und schließlich Ende der 1950er-Jahre durch eine Leihgabe nach Japan das nötige Kleingeld erwirtschafteten für den Skulpturengarten, der seit 1961 das Museum ergänzt und heute zu Europas spektakulärsten seiner Art zählt. Eine riesige Ausstellungsfläche im Freien, auf der manchmal versteckt zwischen Bäumen, Sträuchern oder hinter einem Gebüsch – Werke von Weltklasse auftauchen. Nicht zu übersehen: Jean Dubuffets monumentales Hügelrelief Jardin d’émail. Ebenso vertreten sind Claes Oldenburg und Christo, Henry Moore und Hans Arp. Letzterer wollte dem »K-M« ein Werk schenken, wenn »die Versandkosten und die Kosten für den Stein übernommen werden«. Seine goldene Plastik Berger des Nuages sticht im üppigen Tannengrün hervor und ist ein Publikumsliebling.
Auch Architektur-Aficionados kommen auf ihre Kosten: Zwei Pavillons von Aldo van Eyck und Gerrit Rietveld haben hier einen Platz gefunden, ein dritter entsteht. Anfang 2026 soll der Erweiterungsbau von Tadao Andoˉ eröffnet werden. »Ein Architekt, der wie ein Künstler arbeitet und wunderbar zu uns passt«, findet Benno Tempel, der zukünftig mehr Wechselausstellungen plant. In der aktuellen Schau geht es um den Dialog mit der Natur, also um die DNA von Otterlo.